Sunday, December 16, 2012

Mentoring & Job, das Leben als Mentee & Jobsuchende

Kontaktepool Fotowerbewerb, mein Bild ist das zweite von links in der zweiten Reihe. Der neunte Platz von 10, wie peinlich!
Heute, Freitag ist mein letzter Arbeitstag. Nicht weil das Jahresende kommt, sondern weil ich heute Nachmittag gerade meine Kündigung einreichte. Ich habe meinen Lieblingspullover ausgezogen und meine liebste Uhr, die ohne Stoppuhrfunktion, abgelegt. Ich trage ab heute wieder normales Gewand, das ich gern anhabe, keinen Anzug mehr, in dem der Chef mich lieber sah, keine Stoppuhr mehr, die ich wegen meiner Mittagspause tragen musste. Meine Gefühle sind gemischt: Erleichterung, weil alles schon vorbei ist, aber auch Trauer, weil ich nur nach  2 Wochen die Arbeit, die ich durch meine Mentorin von Mentoringprogram bekommen hatte, aufgeben muss. Aber ich bereue die Entscheidung keine Sekunde, die Arbeit zu machen oder an dem Mentoringprogram teilzunehmen.
Im Gegenteil, ich bin sehr dankbar, dass es dieses Program gibt, das mir Chance gab, meine jetzige Mentorin kennenzulernen und diese Arbeit zu finden.

Was ist ein Mentoringprogram?

Dank meinem Blog habe ich an dem Program teilgenommen. Ich habe einen Betrag über Integration geschrieben wo ich beschriebe wie schwierig es ist, als Ausländerin, die kein Deutsch als Muttersprache spricht, einen Job in Österreich zu finden.
Eine virtualvienna.net Leserin hat mich auf das Program aufmerksam gemacht, und ich habe die folgende Erklärung auf der Mentoring Homepage gefunden:
"Mentoring ist eine persönliche Austauschbeziehung zwischen zwei Personen, die sich auf eine bestimmte Aufgabe oder ein bestimmtes Ziel bezieht: MentorInnen sind meist erfolgreiche Führungspersonen, die über jene Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, die Mentees für die Bewältigung einer konkreten Aufgabe oder eines nächsten Entwicklungsschritts benötigen. MentorInnen sind RatgeberInnen bzw. erfahrene BeraterInnen, die die Entwicklung der Mentees fördern*'
Um ehrlich zu sagen, hatte ich wenig Erwartungen, als ich an dem Programm teilnahm. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade eine Ablehnung für eine Teilnahme an einem Projekt erhalten, und andere private Probleme. Als ich das erste Mal die Einführungsveranstaltung besuchte, hatte ich gerade einen schlimmen Hautauschlag, der mein Leben total durcheinander gebracht hat. Ich konnte Nachts nicht gut schlafen, weil fast der ganze Körper, von Gesicht, Ohren, Nase bis zu den Achseln höllisch juckten. ich kratzte mich, bis ich blutig war. Ich ging bis zu 3 Mal pro Woche zu einem Hautarzt, der Hautarztpraxis war wie mein zweites Domizil. Ich nahm Kortison und Steroide ein, die mein Immunsystem unterdrückten. Ich hatte ein bisschen Sorgen, dass durch das Kortison mein Gesicht so rund wie ein Balloon ausschaut, und wegen der Steroide einen Bart bekommen würde. So wurde ich wie ein Ballon mit Bart ausschauen (Aber mein fescher Hautarzt, ein Dr. Kauer versicherte mir, dass ich solche Problem nicht habe würde, weil ich ja das Zeug nicht permanent einnehmen würde).
Wegen dieser Umstände war es für mich wichtiger, wieder gesund zu werden als einen Job zu finden. Daher hatte ich die Veranstaltung mit wenig Begeisterung besucht.

Die nette Organisatorin des Mentoringprogrammes, Frau R hat mir nur gesagt, dass mein Mentor ein Mann sei. Sonst hatte ich gar keine Information, wer mein künftiger Mentor war, und der Mentor wusste nichts von mir. Ich habe sie gefragt, warum sie nicht verraten darf, wer unsere Partner waren, aber anscheinend sind die Spielregeln so. Vielleicht damit es spannender war, wie ein blind date?
Der Raum, in dem die Kennenlernenveranstaltung das erste Mal statfand, war noch halb leer, als ich eintrat. Neben mir saß eine Dame aus Südamerika. Nach einigem Minuten Gespräch erfuhr ich viel von ihrer Lebensgeschichte /ihrer bitteren Scheidung. Sie erzählte mir auch über die nicht so gelungene Zusammenarbeit mit ihrem unzuverlässigen Mentor, der ihre häufigen Anrufe ignorierte.
Mir war schon öfters aufgefallen, dass Leute aus bestimmten Länder viel offener sind als Österreicher, die eher zurückhaltend sind.

Mein Mann, ein Österreicher, der sich fast jeden Monat mit seinem österreichen Freund trifft, Schulkollege unternimmt, hatte zum Beispiel keine Ahnung, dass dieser keinen Fisch isst, obwohl sie einander schon seit über 20 Jahren kennen. Als der Freund zu uns kam, hatte ich unglücklicherweise gerade ein Fischgericht vorbeiretet, worüber der Freund wenig erfreut war.
Ich war natürlich ganz entsetzt und habe meinen Mann später gefragt, worüber sie überhaupt geredet haben, wenn sie stundenlang in einem Cafe saßen, wieso er  keine Ahnung hatte, dass sein bester Kumpel ein Fisch-Hasser war? Darauf antworte er, 'Na ja, wir reden meistens über Mathematik, Rätsel, Computer, und Arbeit.'
Na bitte. Was für ein Verhältnis haben diese Männer? Ob sie nur Ausnahmen sind, weiss ich nicht.

Aber zurück zum Mentoringabend. Die Mentoren saßen auf der linken Seiten, wir Mentees auf der rechten Seite. Wir bekamen einen Namensschild, auf dem mit unseren Namen und die/der Mentor/innen zu lesen waren. Manche Mentees waren sehr neugierieg. Sie zappelten hin und her, schauten immer nach, wer gekommen war und wollten wissen, ob ihre MentorInnen darunter waren.
Mir war es eigentlich egal. Ich würde meinen Mentor bestimmt finden, dachte ich. Wenn nicht, frage ich einfach die Frau Veranstalterin. Sie könnte ja meinen Mentor ausrufen. Basta.
Aber um nicht zu auffällig gleichgültig zu sein, suchte ich halbherzig nach meinen Mentor, aber natürlich ohne Erfolg, weil dazwischen immer mehr Leute kamen, und der Saal schon recht voll war. Ich schätzte, das ingesamt mehr als 250 Leute aus etwa 50 verschiedenen Ländern da waren.

Kurz vor dem Beginn der Veranstaltung habe ich endlich meinen Mentor getroffen. Genauer gesagt, die Mentorin fand mich. Da Frau R mir vorher gesagt hatte, dass ich einen Mentor bekommen würde, war ich überrascht, dass sich Frau D als meine Mentorin vorstellte.
An diesem Tag, hatten Frau D und ich die Gelegenheit, miteinander zu reden und auch andere MentorInnen & Mentees kennenzulernen, während wir das Buffet genossen.
Es war ein netter Abend mit guter Atmosphere. Frau D wirkte sehr zuverlässig und engagiert. Ich hatte das Gefühl, dass ich mehr Glück als die Südamerikanerin hatte.
Wir vereinbarten einen Termin für das nächste Treffen, bei dem und ich in ihrem Büro vorbeikommen sollte, wo wir dann über meinen Berufspläne sprechen würden.
Während dieses und weiterer Treffen diskutierten wir über unser Leben und analysierten meine Baustellen, von denen es erstaunlicherweise ziemlich viele gab.

Wir hatten einander mehrere Male schon getroffen, als Frau D plötzlich die Idee hatte, einen guten Bekannten nach Arbeit für mich zu fragen. Ich war sehr überrascht, als der Herr N, der Besitzer einer Sprachschule mich bat, sofort meinen Lebenslauf zu schicken und schon am nächsten Tag wollte er ein Vorstellungsgespräch mit mir zu führen.

Ehrlich gesagt, war ich nicht gerade überglücklich oder begeistert. Ich litt  noch an meinen Ausschlag, meine Augen waren noch geschwollen wie bei einem Frosch, ich wollte mich doch noch erholen und ich fühlte mich noch nicht bereit, eine neue Arbeit, besonders eine Vollzeitarbeit zu beginnen. Außerdem hatte ich dank dem Kontaktepool (eine ganz nette Organisation, die Kontakte zwischen Zugewanderten und Einheimischen vermittelt),  MiMi (Mit Migranten für Migranten Programm) entdeckt und dadurch erst kürzlich erfahren, dass ich, der große Gesundheitsfreak, endlich eine ersehnte Ausbildung zur Gesundheitslotsin beginnen würde, die von Ende November 2012 bis Anfang Februar 2013 läuft.

Als ich zu dem Vorstellungsgespräch kam, waren mein linkes Augenlied und mein Kinn waren noch knalllrot, ein Vorteil, dass ich kein Rouge brauchte.
Vielleicht wollte der Herr N mich nicht, dachte ich, und ich konnte mich noch bis zum nächsten Jahr erholen.
Aber anscheinend war der Herr N, aus irgendeinem Grund, so verzweifelt, eine Büroleiterin zu finden, dass er mich trotz meiner eigenartigen Gesichtfarbe, aufnahm und so begann mit Anfang Dezember mein ernstes Leben. Plötzlich hatte ich eine Vollzeitarbeit, die ich nicht erwartet hatte.
Das Leben war hart: die Arbeit fing um 8 Uhr an, und ich, ein Nachtmensch, der normaleeweise um 2 Uhr in der Früh schlafen ging und um 9 Uhr aufstand, musste plötzlich um 6 Uhr aufstehen und bis mindestens 16:30 von Mon-Don arbeiten, und bis 14:00 am Freitag.

Der erste Tag war natürlich der härteste. Ich habe Alarme von 2 Weckern und einem Handy für 6 Uhr eingeschaltet. Eine Uhr läutete nach der anderen. Das Handy war so weit weg von mir, und hat einen lauten, lästigen, fast ununterbrochenden Klingelton, sodass ich gezwungen wurde, aufzustehen.

Die Arbeit war sehr umfangsreich. Ich glaube, der Ausdruck 'Mädchen für ALLES' war wirklich für diesen Job geschaffen, von Buchhaltung, Kundenbetreuung, Korrespondenz, Organisation, Beratung, Telefonate, sekretärischen Aufgabe, war alles inbegriffen. Ich liebe es, zu organisieren und sah gleich, dass es sehr viele Verbesserungsmöglichkeiten gab, die ich beitragen konnte. Herr N besitzt 2 Kursorte, die nicht so gut miteinander vernetzt sind. Wir müssten den anderen kontaktieren, um zu fragen, ob noch genug Plätze für bestimmte Prüfungen oder Kurse vorhanden waren usw. Ich hatte schnell die Idee, google drive zu verwenden, um diesen Teil der Arbeit leichter zu machen.

Es war immer sehr viel los und Arbeit, Leute kamen und gingen, das Telefon läutete, während ich noch E-Mails  beantwortete, usw. Mir war sofort aufgefallen, dass viele Dingen unerledigt geblieben waren, weil Herr N seit ein paar Monaten keine geeignete Mitarbeiterin gefunden hatte. Meine Vorgängerin blieb nur eine Woche. Der jetzige Mitarbeiter war sein Verwandter, der Junger J. Er will Pilot werden und  im Jänner des nächstes Jahres mit der Ausbildung beginnen. J ist ein sehr charmanter, diplomatischer Typ, der mit seiner Charme das Eis im der Antartik  schmelzen könnte. Aber leider  schien sein Motto 'weniger (Information) ist besser' zu sein, während ich lieber sicher sein wollte und (für mich) wichtige Details aufschreiben wollte. Er akzeptierte das nicht forderte mich auf, es ihm nach zu machen.

Trotz unserer unterschiedlichen Arbeitsstile verstanden uns gut, weil ich fast immer machte was er von mir verlangte und versuchte, so viel wie möglich von ihm zu lernen. Immerhin arbeitete er schon seit Anfang Oktober dort. Ich bewunderte seine Fähigkeit, mit Leuten umzugehen. Er war sehr gewandt und konnte die manchmal schwierigen Kunden überzeugen. Ich dachte "Ein ist ein richtiger Politiker".
Da er sich mit manchen Dingen nicht gut auskannte, hat Herr N seine alte Mitarbeiterin, Frau E, die schon im September in Pension gegangen war, gebeten, mich an meinem zweiten und dritten Arbeitstag einzuschulen.

Die Dame war, sehr mild ausgedrückt, eigenartig. Innerhalb einer Stunde wollte ich sie gleich würgen. Sie war sehr brüsk, streng und direkt. Sie wurde nie müde, immer wieder zu betonen, wie anstrengend die Arbeit sei, und wie froh sie sei, dass sie endlich in Pension war. Früher, erzählte sie, 'hatte ich kein Privatsleben mehr. Ganz fertig und müde, wollte zuhause gar nichts mehr machen. Mein Mann musste mich JEDEN Tag bekochen. Ich engagierte eine Putzfrau weil ich nicht nach den sehr anstrengenden Arbeitstagen noch putzen wollte.'
Und später forderte sie von mir, 'Du, es gibt diese Homepage mit vielen wichtigen Information. Kannst Du sie zuhause nach der Arbeit noch genauer lesen?'
'Na bitte, bin ich deppert oder was,' dachte ich. Erstens, ich hatte ja keinen Mann, der kochen konnte. Zweitens hatte ich ja keine Putzfrau. ICH war die Putzfrau zuhause. Drittens hatte ich noch meinen alten Teilzeitjob behalten, weil ich ja noch nicht sicher war, ob ich die neue Arbeit weitermachen würde. Viertens hatte ich gerade die Ausbildung zur Gesundheitslotsin von Mimi begonnen. Und trotz alle dieser Dingen,  sollte ich noch zuhause weiterarbeiten?

Es war wahnsinnig schwierig, mit ihr zu reden. Sie wollte keine Veränderungen haben und sagte immer, dass ich alles ändern konnte, aber nur nach der Arbeitszeit oder wenn sie nicht da war.
Alles musste gleich bleiben. Keine Diskussionen, sonst gäbe es Ärger.
Ich war natürlich sehr sauer auf sie, aber komischerweise fand ich sie, trotz ihrer eigenartigen Art und Weise, langsam amüsant. Vielleicht weil ich versuchte, die Dingen aus ihrer Perspektive zu betrachten. Sie hatte 5 Jahren dort gearbeitet, obwohl sie dauernd jammerte, konnte ich sehen, dass sie ihre Arbeit noch liebte und noch nicht loslassen konnte. Sie war eigentlich eigentlich ganz lieb und ich begann, sie zu mögen.
Der zweite Tag mit ihr war nicht mehr so unerträglich. Wir begannen nach und nach, einander zu verstehen. Ich brüllte zurück wenn sie mich anbrüllte. Wir waren in harmonischer Beziehung, ich fühlte mich wohler an meinem neuen Arbeitsplatz, was aber leider nicht lange so blieb.

Das Problem begann, als Frau E missverstanden hat, dass ich  wegen meiner Mimi Einschulung früher gehen musste. Statt wie vereinbart, mich am Mittwoch 30 Minuten früher gehen zu lassen, hat sie mich am Dienstag 15 Minuten früher nach Hause geschickt, ohne mir zu erklären, dass sie meinetwegen früher Schluss machte.
 Ich dachte nicht daran, und wollte nicht so neugierig sein. Trotzdem blieb ich an diesem Tag bis 16:30. Leider hat Frau K, die Chefin, eine andere Uhrzeiten gehabt. Ihre Uhr zeigte, dass es erst 16:25 war, als ich am Dienstag das Büro verließ.
Am Donnerstag hatten meine Chefin und ich, sehr sehr milde ausgedrückt, eine Diskussion über diese 5 Minuten. Es zählte nicht, dass ich am Montag 1/2 Stunde länger im Büro geblieben war. Später fand ich heraus, dass sie sich bei dem Besizter über mich beschwert hat, weil ich an einem Tag 5 Minuten zu spät von der Mittagspause zurück gekommen war.
Ich war neu, und wußte noch nicht, wohin ich essen gehen sollte und brauchte Zeit, bis ich endlich etwas zu essen finden konnte. Ausserdem, ich hatte sie bei meinem Kollegen J, ihren Sohn, nie kontrolliert, wie lange er Pause gemacht hat.

Ich hatte versucht, ein aufkärendes Gespräch mit ihr zu führen, aber leider gelang mir das nicht. Sie meinte, dass ich ihre Zeit mit meinem Erklärungsversuch verschwendete. 'ICH ARBEITE JEDEN TAG von 4 UHR IN DER FRÜH BIS 12 UHR IN DER NACHT!' schrie sie.
'Wuuuh,' dachte ich, als ich das gehört habe,'wenn ich das mache, kann ich gleich mein Gehalt verwenden, um ein Grundstück auf dem Friedhof zu reservieren.' und der zweite Gedanke, 'Na, Zwangsarbeit gibt es nicht nur in China oder in Indien. Auch in Österreich.'
Nur der Unterschied war, dass diese Frau vor mir die Wahl hatte, nicht wie die Arbeiter in Textilfabriken, die wirklich 20 Stunden ununterbrochen arbeiten müssen: während unserer 'Besprechung', als ich noch vor ihr stand, ignorierte sie mich und rief ihre Freundin an, um mit ihr zu tratschen.

Als ich meiner Mentorin Frau D von diesem Vorfall erzählte, hat sie mir gleich zugeredet, mit dieser Arbeit aufzuhören. Sie fand, dass das Verhalten von Frau K sehr unprofessionel und völlig unakzeptabel war. Außerdem hatte mein Chef vergessen, mich zur Weihnachtsfeier am Freitag einzuladen, worüber Frau D verärgert war.
Ich stimmte meiner Mentorin zu, aber ich wollte es trotzdem weiter versuchen. Ich mochte die Arbeit, fühle mich herausgefordet, Dingen zu verbessern. Ausserdem lernte ich viele nette Leute wie die Sprachtrainer, Kursteilnehmer und andere Kollegen kennen. Ich konnte mein Chinesisch und Japanisch üben. Ich fand, dass Herr N, mein Vorgesetzer, eine charmanter und lustige Person war. Er tut mir Leid, weil er überfordert zu sein scheint. Es scheint mir, als ob er schon arbeitsmüde war und resigniert hatte, er aber keine andere Wahl hat, als die Schule weiter zu führen.

Ausserdem machte ich immer wieder interesannte Erfahrungen mit Kunden. Eine meiner Lieblingsgeschichten war die folgende:
Eines Tages kam ein Mann, der eine B1 Deutschprüfung als Vorbereitung für die Staatsbürgerschaft ablegen wollte.
Er übergab mir 'seinen' Ausweiss, den ich gleich genauer überprüfte und sofort feststellen, dass die Person vor mir nicht dieselbe war, die im Ausweis stand.
'Na,' dachte ich, 'denkt er, dass ich eine blöde Kuh bin oder was? Der hat so eine spitzige Nase und dünne Lipen, während der im Ausweis, eine riesige knollartige Nase hat, die fast sein ganzes Gesicht bedeckt, und seine Lippen sind so dick wie ein Polster! Wie können die beiden ein und dieselbe Person sein?'
So erkundigte ich mich nach seinem Sternzeichen, aber er schüttelte nur den Kopf.
So fragte ich nach dem Geburtsdatum, aber er antwortete nur mit dem Jahrgang. Ich fragte ihn noch ein paar Mal nach sein Geburtsdatum, und endlich sagte er sehr unwillig, 'Februar!'
Ich: 'Wieso steht hier am Ausweis Oktober?'
Darauf schüttelte er den Kopf, und meinte, dass österreichische Behörde seine Daten falsch eingetragen hat.
'Na bitte,' dachte ich, 'so blöd waren die österreichische Beamten (hoffentlich ja) nicht, dass sie statt Februar, Oktober geschrieben haben?'
So verlangte ich einen zweiten Ausweis, der er natürlich nicht besaß.
Ich hatte ein bisschen Sorgen als ich gesehen habe, wie sein zerknitterten Augen mich so schief und bedrohlich ansahen, so dass ich J, meinen charmanten Kollegen abholte.
J stellt den Kerl gleich zur Rede und sagte ihm sehr klar, dass er keine Prüfung bei uns machen durfte.  J hat das so überzeugend und fest gesagt, dass der Mann kein Chance hatte, mit ihm zu streiten. Endlich verließ der enthüllte Teilnehmer unserer Büro.
Ich habe mich über den Vorfall köstlich amüsiert, weil das Ganze so absurd war. Warum hatte der Mann nicht versucht, sich zumindest das Geburtsdatum zu merken? Warum suchte man nicht einen anderen Mann, der dem Mann im Bild wenigstens halbwegs ähnlich ausieht? Wenn man schon einen Betrug plant, soll man das ordentlich machen. Ich habe später erfahren, dass es schon Vorfällen gab, wo eine Person versucht hat, die Prüfung für jemanden anderen abzulegen. Bestechungsversuche bei der Sprachschule waren keine Seltenheit. Die Sprachschule, in der ich arbeitete gehörte zu den anständigen, die keine Bestechung entgegen nahm. Der Kollege J, verhält sich korrekt und diplomatisch.

Bis heute, trotz dem was später zwischen uns passierte, bewundere ich Js Fähigkeiten mit so einer schwierigen Situation umzugehen. Er könnte ein sehr guter Diplomat werden, statt ein Pilot. Zumindest der erste Job sicherer ist als der zweite, für seine eigene Sicherheit und das Wohlbefinden seiner Passagiere.
Ich konnte von ihm viel über Diplomatie, und den Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten lernen.
Mit diesen Überlegungen, wollte ich den neuen Job nicht aufgeben und versuchte, die Sache mit der Chefin objektiver zu analysieren und  Lösungen zu finden: Sie arbeitete sehr hart, wie eine Sklavin (wenn ihre Aussage stimmt), so erwartete sie wahrscheinlich unbewusst, dass  auch ich keine Pause machte. Wenn doch, muss ich  auf die Sekunde pünktlich von meiner Mittagspause zurückkommen. Da sie auch sehr lange arbeitet, erwartet sie vielleicht, dass ich Überstunden mache. Wenn ich diese alle Dingen mache, vielleicht würde sie mich dann akzeptieren.
Die Art der Arbeit hat mir gefallen, und ich weiß, dass ich sie gut machen konnte.  Warum sollte ich nicht weiter probieren, den Job zu machen? Außerdem hatte ich Dank der Behandlung mit Schüßler Salzen, Apfelessig und Mineraliencreme, das lästige Hautekzem unter Kontrolle gebracht (ich brauchte kein Steroid und Kortison mehr einnehmen, und die Gefahr, dass ich mich in einem haarigen Ballon verwandeln würde, gebannt) und konnte meine Energie in die Arbeit stecken.

Nach diesem Beschluss nahm ich am nächsten Tag eine Glassdose mit gekochtem Brei mit, damit ich leichter essen konnte, statt in einer Bäckerei oder einem Lokal essen zu gehen. S, die nette Kollegin, mit der ich öfters Mittagessen ging, fragte mich erstaunt, 'Was ist denn das? Du isst jetzt Babybrei!?'
Als ich ihr meine Uhr mit Stoppuhr-Funktion zeigte und erklärte, dass die Uhr uns helfen sollte, nicht eine Sekunde zu spät von der Mittagspause zurückzukommen, meinte sie kopfschüttelnd, 'Du bist verrückt'.  Besser verrückt, als Probleme mit der Chefin zu haben.
Wir aßen fast jeden Tag unsere 'Jause' im Park gegenüber, im Freien. Manchmal haben wir Glück gehabt, die Sonne schien und es war nicht extrem kalt. Im Dezember draußen zu stehen und essen war ja nicht gerade ein Picknick. Manchmal war es fast unerträglich, wenn der Wind sehr stark wehte, aber wir versuchten, es so lange wie möglich auszuhalten. Wir hatten drinnen sowieso keinen Essraum, nur einen vollgestopften Kopierraum wo die Trainer, S, und die Chefin saßen. So immerhin war es für mich besser draußen an der 'frischen' Luft als drinnen. Ich bekam von der Sonne ja Vitamin D, das sehr gesund für meine Knochen und Wohlbefinden ist. So kein Problem, ich würde es schaffen.

Aber ich habe mich geirrt. Ich schaffte nicht. Ironischerweise, nicht wegen dem kalten Wetter oder der Chefin, die mir gezwungen hat, die Arbeit aufzugeben, sondern wegen meinem geschätzten Kollegen J.
Der letzte Vorfall mit J, dem Sohn der Chefin, hat meine Zweifel geweckt, ob ich wirklich bleiben sollte:
als die Frau E (die Pensionistin) mir zum dritten Mal die Arbeitsabläufe erklärte, zeigte sie mir, dass sie tatsächlich Gründe hatte, über viele Dinge, die im Büro falsch liefen, zu jammern, besonders Js Arbeitsstil: er verschlampte Rechnungen oder andere wichtige Informationen, und machte die Kursanmeldungen nicht ganz richtig.
Sie öffnete meine Augen, wie ernst die Lage war, wieviele Arbeit und Verantwortung ich innerhalb sehr kurze Zeit tragen müsste wenn ich hier arbeiten wollte.
Mit  den neuen Kenntnissen, die ich von Frau E erworben hatte, kombiniert mit meinem logischen und praktischen Denken, versuchte ich die schwierige Situation zu verbessern, was J und mich in einen Rollenkonflikt / Machtkampf verwickelte. Wir hatten (wieder milde ausgedrückt) unsere 'Auseinandersetzung' als ich ihn bat, die Rechnungen in das Kassabuch einzutragen, oder genauer zu arbeiten. Er ignorierte meine Vorschläge und war unkooperativ. Nicht nur sein Verhalten trieb mich auf die Palme, aber auch seine schlampige Art, die Sachen zu bearbeiten. Von seiner sehr charmanten Persönlichkeit, war er jetzt agressiv geworden und wollte mich kommandieren. Plötzlich war er nicht mehr mein Kollege, sondern der junge Chef.
Mir war bewusst, dass Herr N, meinem richtiger Chef Js Verhalten tolerierte als er lächend den Kopf schüttelte und anmerkte, dass 'wenn J Pilot werden will,  muss er wirklich aufpassen, statt nach China zu fliegen, landen wir vielleicht in der Karibik!'
Ich habe darauf geantwortet, 'Na, Chef, in Karibik zu landen ist mir viel lieber  ('als abzustürzen', dachte ich).

Am Ende war mir die ganze Sache zu viel: Der Machtkampf, der resignierte Besitzer der den Dingen nur zusieht, ohne wirklich etwas zu unternehmen, die Chefin die sich nicht nach meiner Arbeitsleistungen orientiert sondern immer nur auf die Sekundenzeit achtet, das schlechte Arbeitsklima, die knappe Zeit, innerhalb 2 Wochen Sachen, die monatelang falsch gelaufen waren, wieder gut zu machen, und, und, und....
Ich gab, endlich, auf und gab dem Chef und meiner Mentorin bescheid, dass ich nicht mehr bei der Schule arbeiten wurde. Der Chef akzeptierte meine Kündigung ohne, wie erwartet, den Grund zu fragen. Nur mit leiser resignierter Stimme sagte er, 'Ja, ich verstehe'.
Ich kontaktierte meine Mentorin, die mir gleich bat, bei ihr vorbeizukommen um den ganze Arbeitskonflikte zu besprechen und zu überlegen, wie ich eine für mich passende Arbeit finden könnte.

Am letzten Arbeitstag habe ich eine neue Mitarbeiterin, eine der Schultrainerinnen, die sich für den Job interessierte, eingeschult und ihr 'viel Glück' gewünscht, das sie sehr wahrscheinlich für den Job brauchen wird.
Als ich meine Mentorin, Frau D traf, sagte sie dass es ihr leid tat, was mir in den letzten 2 Wochen passiert war, aber ich versicherte ihr, dass ich ihr immer sehr dankbar sein wurde, weil wegen ihr, hatte ich immerhin mehr Arbeitserfahrung gesammelt und eigenartige, aber auch interessante Leute getroffen. Und ich war,vor allem dankbar, dass sie mich immer unterstützte und voll hinter mir stand. Sie konnte ja nicht dafür, dass die Dinge nicht so gelaufen ist wie erwartet. Sie war kein AMS, sie war nicht verpflichtet, einen Job für mich zu finden, aber trotzdem hat sie für mich einen gefunden. Ich konnte keine bessere Mentorin erwarten, für mich, war sie ein Geschenk. Und für mich ist das Mentoringprogramm war ein Programm, das ich wirklich weiterempfehlen kann. Man bekommt viele Erfahrungen and lernt viele neue Leute kennen. Man fühlt sich nicht allein, und hat wieder Hoffnungen, etwas gutes daraus zu bekommen.
So ich wurde Euch empfehlen, wenn ihr Interesse an dem Mentoringprogramm habt, nicht zu zögern, sondern mitzumachen. Gemeinsam sind wir (hoffenlich) stärker!

Obwohl es schwierig ist, nicht mehr über die Arbeit nachzudenken, versuche ich jetzt loszulassen
und die Ruhe und gute Stille von Weihnachten zu genießen.
Nächstes Jahr ist ein neuer Anfang, und ich werde meine Arbeitsuche und die Ausbildung bei MiMi, die mir sehr gefällt und wo ich auch die Möglichkeit habe, andere nette MigrantInnen kennenzulernen, fortsetzen.

Ich wünsche Euch Allen:
 Frohe Weihnachten und alles Gute zum neuen, erfolgsreichen Jahr, egal wo ihr seid!
Guten Rutsch!
Eure C

Kontaktepool Fotowerbbewerb: das Foto des zweiten glücklichen Gewinners

5 comments:

Marion said...

Dein Text ist zum Zerkugeln!!!:-DDDDD
echt!!!!!
es ist höchst unterhaltsam wie und was du schreibst!:-D
wenn man dich persönlich kennt wird es noch besser!!!!:-)

liebe Grüße
Marion

Barbara said...

Das war "ur"-spannend!
Fand Deine Ehrlichkeit überwältigend,
dachte zwischendurch, dass Du vielleicht zuviel über
Deine Arbeitgeber preisgegeben hast.
st fast so etwas wie Tagebuchschreiben, sehr intim.
Kann verstehen, dass Du unter dem Eindruck der letzten
zwei Wochen Deine Erlebnisse und Eindrücke genau
wiedergeben wolltest.
Andererseits lesen diese Blogs ja auch nur Leute,
die wirklich interessiert sind und denen die
Infos dann auch helfen.

Barbara

P.D said...

Liebe Fr. Cahaya! Ich finde den Artikel sehr belebend und spritzig.
Danke für die Mitteilung und die Verlinkung!

Silvia_Vienna said...

I am glad that I could help you with my information and you got a nice mentor. My friend is a mentor there and he said that he had luck with his mentee too :-)) It is really a very good program from WKO.
I read your blog and I think you should become a writer. You describe your experiences very impressive and the readers can imagine how you felt.
I read a news article in derStandard http://derstandard.at/1353209104108/Es-gibt-kein-Auslaenderproblem and it describes very well the situation of people who look different to others. People should overcome cultural bias (kulturelle Vorurteile abbauen).

Anonymous said...

vielen Dank für die wertvollen Informationen.

Dein Blog und Bericht über Deine Erfahrungen im neuen Job finde ich grandios und spannend, bis zum letzten Buchstaben einfach sehr authentisch und wunderschön geschrieben.

Miriam